9.2.21

Review: Toxoplasma - Leben Verboten (1994/2021)


Zugegeben haben mich die 90er musikalisch immer wenig gereizt. Seitdem ich mich für Punk interessiere und aktiv Musik höre, habe ich mich auf der Suche nach den Soundtracks vergangener Tage hauptsächlich auf die 80er konzentriert und war insbesondere mit den Veröffentlichungen der Jahre 1980 – 1985 bestens bedient. Der rohe und ungeschliffene Sound, die Härte und Kompromisslosigkeit, Wut, Hass und auch Melancholie. All das übte eine unglaubliche Faszination auf mich aus und prägte maßgeblich meinen Musikgeschmack. Wahrscheinlich hab ich, mit einigen wenigen Ausnahmen, deshalb viele Bands aus den neunziger Jahren gar nicht auf dem Schirm. Ich habe das Gefühl, dass schon Ende der 80er, viele der oben genannten Attribute verloren gingen und spätestens mit der Wiedervereinigung zu einem eintönigen Brei an wahlweise halbherzigen und sich ständig wiederholenden Politphrasen oder stumpfen Saufsongs verschwammen. Der Gipfel der Belanglosigkeit wurde dann irgendwann mit Pop- und Fun-Punk erreicht und machte das Jahrzehnt für mich leider eher uninteressant. Wie oben erwähnt – Ausnahmen bestätigen die Regel und klar gab es auch Bands, welche mich aufgrund ihrer Aggressivität und Authentizität begeistern konnten. Worhäts, Strohsäcke oder Fristlos Entlassen wären da Vertreter, die mir auf die Schnelle einfallen. Oder eben Toxoplasma, welche im Jahr 1983 wohl eine der besten Punkplatten im deutschsprachigen Raum veröffentlichten und dann erst wieder ab 1990 rekordverdächtige vier Alben in vier Jahren vorlegten. Respekt. Nun also das Re-Release vom Album Leben Verboten aus dem Jahr `94 über Twisted Chords. Die Platte erschien damals als limitierte Picture-LP über scheiß Impact Records und ist selbstredend seit geraumer Zeit ausverkauft.

Man kann nicht leugnen, dass es auch bei Toxoplasma eine hörbare Weiterentwicklung nach der selbst betitelten Debüt-LP gab. Musikalisch wirkte das alles gut ausgefeilt und mit einigen doppelten Böden verziert, der Sound klang um einiges metallischer. Hinzu kamen vermehrte Gitarrensoli, die sich aber gut ins Soundgeschehen einfügten und nicht zu penetrant oder posierend daherkamen. Ich brauch so was ja eigentlich nicht, kann bei dieser LP aber gut drüber hinwegsehen bzw. hören. Was sich aber nicht verändert hatte und nach wie vor diese Band auszeichnete, waren die gut durchdachten und direkten Texte, welche den Finger stets in die sprichwörtliche Wunde legten. Auch wenn man sich thematisch meist auf eine vorhersehbare Palette konzentrierte, wirkte das ganze niemals platt oder gedrungen. Hier ging es nicht darum, alles passgenau in ein Reimschema zu pressen, sondern um klipp und klare Aussagen, wo die Fehler dieser kranken Gesellschaft liegen. Die treibenden Klänge untermalt mit wütendem und charakteristischem Gesang. Auf Belehrungsversuche und erhobene Zeigefinger wurde dabei stets verzichtet und stattdessen die Faust geballt. Ich hatte fast vergessen wie beeindruckend dieses Album ist und die Platte dreht hier seit dem Re-Release ziemlich oft ihre Runde. Es gibt auch echt keinen einzigen Ausfall oder Lückenfüller. Alles geil. Hier folgt Hit auf Hit. Ob Deutsch in Kaltland, Stillstand, Alte Zeiten oder Kein Platz Zum Leben – durchweg regelrechte Hymnen, die seit `94 nichts an ihrer Aktualität eingebüßt haben. Schön dass Twisted Chords diesen Klassiker nach all der Zeit wieder an den Start gebracht hat. Danke dafür.

Die Platte gibt’s neben einer regulär schwarzen Edition auch in weiß und lila. Letztere Varianten sind auf 100 Exemplare limitiert, man sollte also nicht allzu lange überlegen, auch wenn der Preis mit 18€ etwas happig erscheint. Ansonsten kann ich nur dazu raten sich diesem Knaller mal wieder zu gönnen. Pflichtstoff für alle, die etwas mit deutschsprachigen Politpunk anfangen können.

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