Luki: Drogen und was der Dinge mehr sind..
T-Dog: Ja grützi - und hab recht herzlichen Dank, dass du uns interviewst! I bin freilich schon ziemlich aufgeregt. Aber von einer Seuche hatte ich jetzt nichts mitgekriegt..
Ray: Hi! Also wir sind relativ produktiv gewesen, zumindest im Sommer, und haben fleißig neue Songs geschrieben. Ende letzten Jahres haben wir die dann aufgenommen und warten jetzt darauf, dass dieser RaiaRec die fertig mischt. Die Preise sind ja ok – aber der braucht immer so lange..
Ich persönlich hab ja seit den Kontaktbeschränkungen das Lesen von
Zines für mich entdeckt. Da hatte ich in den letzten Jahren
zugegeben ein regelrechtes Informationsdefizit. Mit der richtigen
Lektüre bekommt man die Zeit in der Bude aber super totgeschlagen,
wie ich feststellen muss. Ich kann euch da vor allem das Human
Parasit oder das Brot Fanzine ans Herz legen. Was haltet ihr von
Printzines und könnt ihr da vielleicht was empfehlen?
Ray:
Mein Thema sind Zines eher nicht so, muss ich zugeben. Ich lese eher
Bücher, bisher meist Sachbücher, seit einiger Zeit aber auch so
Quatsch wie Scharnow von Bela B (bisher ganz nett), die NOFX
Biografie (sehr unterhaltsam, teilweise schäbbig) oder den
ultimativen, ältesten Abfuck: Cervantes Don Quijote (nach 800
Seiten aufgegeben; ich kann niemanden ernst nehmen der in seinem
Leben nicht mindestens 100 Seiten davon gelesen hat).
Luki: ..nächste Frage!
T-Dog:
May...'s kommt scho ma vor, dass i mir a Playboy-Zine mit zum
Proberaum nehme.
T-Dog: Jedes Betontod-Video ist für mi a Blockbuster!
Ray: Also was die Spielfilme angeht, sehe ich das ähnlich wie du, Jesus! Ist aber nicht nur im Punk-Bereich so, denke ich. Dieser Blackmetal-Film von vor ein paar Jahren war auch peinlich soweit ich weiß. Also wenn Filme gucken, dann definitiv Nackte Kanone! Da lernt man wenigstens noch was.. Ansonsten finde ich momentan die diversen Dokus bei Youtube über die großen US-Punkbands ganz unterhaltsam; auch mit alten Ärze-Sachen kann man sich den Lockdown dumm und glücklich machen.
Luki: Also jetzt muss ich aber auch mal was ernstes sagen: ich kann mit dieser Art von kulturindustrieller Verdummung nichts anfangen – Marx ist mein Youtube, Adorno ist mein Instagram, Horkheimer mein Facebook. In diesem Sinne: 'Der Bürger wünscht die Kunst üppig und das Leben asketisch; umgekehrt wäre es besser.'
T-Dog: Was du sprichst ist eine Unwahrheit – mir kenna nur Leute, die wen kennen, der wo gspielt hot. Mir san ein unbeschrieben Blatt, eine junge Knospe im Frühlingswind, ein frisch gschlüpfter Säugling – der eenschittert hat! So stehen wir übrigens auch zu sämtlichen unserer Sideprojects: alles Müll!
Luki: Ich glaube das für uns prägendste ehemalige Projekt ist T's ehemalige Band Accident – bodenständiger, ehrlicher Rock!
Ray: Melodycore ist auf jeden Fall das Unwort des Jahres. Die eigene Musik zu kategorisieren ist immer schwer, aber wir versuchen melodischen, schnellen Punk zu machen, würde ich sagen.
T-Dog: I spiel Schlagzoig, i schwitz so sehr, i wollt net mehr so rumzapperlottern und knattern. Da hob i gsagt: Buben, lass Rock machen!
Luki:
Korrosion ist eigentlich ein neuartiges Projekt der Bundesagentur für
Arbeit, für die ich beruflich tätig bin. Ich versuche in dem
Projekt desorienierte Jugendliche und Junggebliebene (wieder) in den
Arbeitsmarkt zu integrieren und habe mit diesen 2 besonders schweren
Fällen das Pilotprojekt gestartet. Bisher läuft es ok.. also die
Szene hat noch nichts bemerkt und meine beiden Klienten..naja, die
raffen eh nix.
Sollte
das Projekt Erfolg haben, werden wir bald an verschiedenen
Wirtschaftsstandorten Deutschlands weitere Korrosions gründen. Die
Zweigstelle Greifswald hat mit meinem Kollegen Sumpi ein ähnliches,
wenn auch gewagteres, Unterfangen gestartet. Hier handelte es sich
bis vor kurzem um eine Einzelfallbetreuung eines besonders schweren,
aggressiven Falls. Der Kollege musste sich dann sogar Verstärkung
holen, wie ich erfuhr. Naja, man tut was man kann..
Split LP mit Scheisse: https://korrosion.bandcamp.com |
Luki: Schönberg, Hauer, Eimert, etc. (Wie heißt es doch so schön: Randale, Bambule, Schönberg-Schule)
Ray: Ich höre im Moment viele der alten Alben der schnellen, melodischen US-Punkbands (Lagwagon, Good Riddance, Pennywise, NOFX, etc). Live waren für mich vor Corona die besten Neuentdeckungen Press Club aus Australien und Suck aus Kassel – die beide aber leider nicht schnell spielen. Das neue Madsen-Album war auch ne willkommene Überraschung.
T-Dog: Rammstein, Lordy, Nickelback
Ray: Fuck, eine ernste Frage! Ich kann da nur für mich sprechen, aber ich glaube den anderen beiden geht es ähnlich. Das wichtigste ist wahrscheinlich: Sei kein dummes Arschloch! Denk nicht nur an dich und wie voll du dich machen willst. Check, dass es nichts mit Punk zu tun hat nackt, stinkend und schwitzend Leute zu umarmen, die keinen Bock drauf haben! Genauso ist es für die Frage, wie Punk jemand ist, unerheblich, ob die Person von dir umarmt werden will oder nicht. Reflektiere dein eigenes Verhalten! Das gilt auch beim Thema Gewalt und Drogenkonsum. Zieh dir rein, was du willst – aber werd nicht unausstehlich! Lass deinen Hass auf dich selbst nicht an anderen aus. Benutze deinen Kopf, gestalte selbst aktiv dein Leben, höre Korrosion!
Ray: Ja, ich glaube schon, dass sich da ein bisschen was tut. Aber ich kann das eigentlich gar nicht beurteilen..
T-Dog: Früo war alles besso
Luki: Fun ist ein Stahlbad.
Ray:
Kann man so allgemein nicht sagen. Wenn nur extra supreme coole
Hardcore-Kids im Raum sind, die alle Bock auf Kicks und Flickflack
haben – warum nicht? Was anderes ist es, wenn eine Handvoll Typen
violent dancen, ein Pogomassaker anrichten und der Rest der Leute das
nervig, albern und scheiße oder sogar beängstigend findet. Ein
gewisses Maß an Reflektion und Rücksichtnahme darf man schon
erwarten..genaue Anweisungen zum Tanzverhalten sind bei Punk aber
fehl am Platz.
T-Dog: Wenn de Gaudi abgeht, geht se ab.
Abschließend
zu „Love Punk – Hate Punks“ noch eine Frage. Was, außer
Mackergehabe und Sexismus, kotzt euch innerhalb der subkulturellen
Filterblase noch an und andersrum gefragt, was ist geil an Punk?
Ray: Geil an geilem Punk ist die Musik, die Frechheit, das Aktive, der Humor, der Ernst, das richtige Maß an Kurz-und Weitsichtigkeit, etc pp. Beschissen an Punk ist alles, was im Rest der Gesellschaft auch beschissen ist. Es wird ja niemand Punk und ist dann von seinen Zurichtungen befreit. Eher um sie zu verdrängen, so ist es zumindest bei uns.. ;)
T-Dog:
Mit mene Jungs en heben – dit jefällt ma!
Okay, auf alle Songs will ich hier natürlich nicht eingehen, keine Angst. Aber beim Track „Berlin“ bietet es sich schon noch an, ein paar Fragen zu stellen. Wenn wir uns mal über den Weg gelaufen sind, war das meistens im legendären AJZ in Neubrandenburg oder im JUZ Klex Greifswald. Vor allem Neubrandenburg war hier, insbesondere was die Größe der Szene anging, ja eigentlich ein Novum in MV. Da ging lange Zeit echt einiges, bis sich eben ein Großteil der Leute nach Berlin oder später nach Leipzig Connewitz verpisst hat. Auch ihr seid mittlerweile in der Hauptstadt gestrandet. Was waren die Gründe dafür Mecklenburg-Vorpommern hinter euch zu lassen? Im Song selbst wird Berlin ja auch nicht unbedingt abgefeiert.
Luki: „Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.“ Deshalb habe ich mich entschieden, in Berlin geboren zu werden, nicht in so einem Kaff, in so einem Dorf voller Hinterwäldler, die aufgrund der Erbärmlichkeit und Inspirationslosigkeit ihrer Umgebung niemals ihr Leben auf die Reihe kriegen werden. Das Leben ist scheisze - in Berlin, Neubrandenburg und auch im verdammten Greifswald! Aber in Berlin kann ich mich wenigstens davon ablenken; kein richtiges Leben im falschen..
T-Dog: Noa i sak mal so: i fands scho immer gonz nett mit mei Gartenträkka durch die Seenpladde zu fahrn
Ray:
Bei mir waren es eigentlich so ganz banale Gründe nach Berlin zu
ziehen: Ausbildung, Studium, Job,.. Aber Berlin reizt natürlich auch
mit seinem riesigen Angebot an Möglichkeiten, die ich in MV einfach
nicht gesehen habe. (nicht, dass ich sie in Berlin nutzen würde)
Mein Eindruck
in den letzten Jahren ist, dass in MV definitiv mehr aktive Leute
gehen, als neue dazukommen. Das ist schade aber die Gründe dafür
sind selbstverständlich nicht ganz abwegig. Diese Entwicklung macht
sich hier in der Region natürlich in verschiedener Weise bemerkbar.
Ne Horde Zecken aufm Markt? Ein seltenes Phänomen. Volle
Konzerträume? Ebenfalls eine Seltenheit. Kidpunks? Lange nicht
gesehen. Wie ist es im Gegensatz dazu, in Berlin? Bedenkt man, wie
viele Leute dort hingezogen sind, müsste da ja eigentlich total der
Punk abgehen. Ist das der Fall? Wie gut oder schlecht werden Konzerte
besucht, wenn nicht gerade ein Virus sein Unwesen treibt? Und wie
steht es in Berlin mit jungen Punx? Kann man die Kids heute überhaupt
noch irgendwo mit Punkrock, Hanf und Bier abholen?
T-Dog: We a se kids
Luki: Ich bin gerade dabei eine Kampfarmada 100er junger Punks zu trainieren (alles in meinem ruhigen Spandau, du sanfter Traum einer Vorstadt) um sie dann in die entlegensten Gebiete des Landes zu verschicken um Chaos zu stiften. Um zu Beginn gleich mit einem Paukenschlag die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf uns zu lenken, werden wir eine Stadt in Meckpomm komplett vernichten. Vorschläge werden noch angenommen.
Ray:
Ich habe die letzten Jahre in einem Club in Kreuzberg gearbeitet. Da
fehlte mir tatsächlich die Lust auch noch privat auf Konzerte zu
gehen. Die paar Punkkonzerte, die ich gesehen habe gingen gut. Waren
aber auch eher größere Bands. Unsere eigenen Konzerte hingegen
waren beschämend!
T-Dog: Joa, i sag mal ßo: alßo wir haben unsere Wohnungen olle gekauft und sie so dem Kopitol entrissen. Des reicht mir on rodikalem Oktivismus, wiell joa net im Knast!
Ray: Wir sind alle schon mehrfach in Berlin umgezogen und das macht echt überhaupt keinen Spaß. Es ist wirklich schwierig eine Wohnung zu finden wenn man nicht viel verdient. Andererseits können wir uns auch nicht allzusehr beklagen als privilegierte, dicke Deutsche. Luki hat da auf jeden Fall so eine Kampagne, mit der er eine große Firma, die mit Wohnungen Geld verdient, enteignen will: 'Deutsche Wohnen & Co enteignen'.
Luki: Peinlich und traurig, nicht nochmal!
Ray: Du meinst wahrscheinlich unseren Gig im Oktober im Garten des AJZ Neubrandenburg. Das war natürlich etwas komisch – sitzendes Publikum, saukalt- aber hat trotzdem Spaß gemacht. Ansonsten hatten wir erst 2 ½ weitere Gigs. Uns gibt es erst seit Mitte 2019 und das Auditorium muss sich erst langsam an uns gewöhnen..
T-Dog: I fands geilo, kann i Bier saufe mit mei Mudda!
Letzte Frage
und dann habt ihr noch die Möglichkeit jemanden zu grüßen oder
irgendeinen Scheiß zu erzählen. Ich bedanke mich jetzt vorab schon
mal für eure Antworten und überlasse euch die letzten Worte.
Hoffentlich sehn wir uns bald mal wieder. Haut rein! Wie kam es zum
Bandnamen Korrosion und was meint ihr damit genau? Eher die
Zersetzung eines Metalls durch Oxidation oder die Zersetzung von
Gestein durch Wasser? Hä?
T-Dog: Mir mein de Zersetzung von Metal durch Wasser, Metal durch Bier zersteren un Punk draus mache!
Luki: 'Leben, das Sinn hätte, fragte nicht danach'
Ray: Danke, ich grüße meinen Hund! Und denkt immer daran: „Man geht schon ein Risiko ein, wenn man morgens aufsteht, über die Straße geht und sein Gesicht in einen Ventilator steckt.“ Franklin Drebin
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