28.12.20

Review: Tin Can Army - 1982-1987 (2020)


Das Jahr hatte einige ziemlich geile Re-Releases aus dem 80’s Punk-Sektor zu bieten, denn glücklicherweise haben sich weiterhin verschiedenste Labels der Wiederveröffentlichung alter Scheiben angenommen, was ich immer sehr zu schätzen weiß. Erstens weil die Platten dann nicht in Vergessenheit geraten und so vermutlich von einigen Leuten noch mal "neu" entdeckt werden können. Zum Zweiten, weil ich es selbst auch leid bin für Vinyl horrende Summen zu zahlen, weil irgendwer den Hals nicht voll genug bekommen kann. Im Juli war Mad Butcher Records an der Reihe und brachte die Compilation der grandiosen Tin Can Army wieder auf Vinyl. Gab's so ähnlich schon mal 2003 über Krachschwindel Records mit identischer Tracklist. Außerdem weiß die Compilation zusätzlich noch mit einem sehr interessanten A4-Booklet zu überzeugen, welches zusammen mit Mitgliedern der Band angefertigt wurde und zum Beispiel einen Haufen Infos zu den enthaltenen Songs zu bieten hat. Keine Ahnung ob es das so umfassend auch bei der LP von 2003 gab. Zur hier besprochenen Auflage, im grünen Vinyl, gab’s dann auch noch Poster, Button und nen Aufnäher dazu. Sehr schön. Auch wenn ich mir unter einer Schnickschnack-Box dann doch was anderes vorgestellt hatte als nen herkömmlichen Plattenkarton mit Aufkleber. Aber egal, hier wurde offensichtlich viel Liebe zum Detail bewiesen, was mich sehr gefreut hat.

Bei TCA wusste ich natürlich was mich erwartet und habe nicht die sprichwörtliche Katze im Sack gekauft. Den ein oder anderen Track kannte ich tatsächlich aber noch nicht und so hatte diese Platte dann auch noch einige Überraschungen zu bieten. Hier gibt’s politischen Punk mit Hardcore-Einflüssen wie er nur in den 80ern entstehen konnte. Radikal und kompromisslos, ohne bedeutungsschwangere Phrasen, werden hier sämtliche Themen besungen, welche die Szene damals bewegten. Ich liebe diesen Scheiß und lasse mich immer gerne mit auf diese Zeitreisen nehmen. Soundtechnisch wurde hier im Nachhinein zum Glück auch nicht mehr dran rumgeschraubt und das leichte Knistern des Vinyls  trotz Neuzustand, sowie die rohe Aufnahmequalität machen die Nostalgie perfekt. Enthalten sind neben den Songs der Split-LP mit Maniacs, noch Samplerbeiträge, Liveaufnahmen, Tracks der Demo von 83 und der EP von 86. Darunter zum Beispiel das absolut geile Oi, Oi, Oi Naziskinheads oder der Song Verräter in dem man mit den damals großen Punklabels wie Rock’o’Rama und AGR abrechnete. Wobei es nicht nur beim Boykott-Aufruf bleibt. Kleine Kostprobe gefällig? Bitte schön: "Die Herren kommen in schwarz daher, doch sich zu wehren ist gar nicht schwer, boykottiert sie, hängt sie höher, ich will sie baumeln sehn." Nun ja, die Kontroversen um Egold und Walterbach sind soweit bekannt und da hat der überspitzte Text vermutlich auch seine Berechtigung. Wenn auch die alten ROR- (bis 1984) und AGR-Releases mich durchaus im positiven Sinne reizen und ich sie auf keinen Fall missen möchte. Die Texte der Tin Can Army waren definitiv immer sehr authentisch und sind vor allem kritisch mit der eigenen Szeneblase gewesen. Das wird bei Songs wie Nestbeschmutzer ("30 Bier und 2 Pfeifen und du kannst noch stehn – Junge was ne große Leistung, sowas lässt sich sehn. 30 Bier und 2 Pfeifen, das hast du fein gemacht – deine Power ist dahin und jeder Bulle lacht") oder Verweigerung Total ("Widerstand den wir nicht leisten, Unrecht das wir dulden, Scheiße die wir kaufen, Kommerz dem wir frönen und damit ihre Morde finanzieren. Verweigerung total, entzieht euch ihrer Kontrolle. Verweigerung total, spielt nicht eure Rolle") besonders deutlich, was TCA zu einer sehr wichtigen und besonderen Band macht, mit der man sich ruhig immer mal wieder beschäftigen sollte. Hier wirkt nichts aufgesetzt oder gezwungen und man verwässerte die Texte nicht, nur um irgendwelche Reime einzubringen. Das ist Punk in seiner besten Form, mit ordentlich Wut im Bauch, die hier in Texten auf deutsch und englisch ohne Umwege kanalisiert wird.

Die Platte kam regulär im schwarzen Vinyl. Die Auflage in Grün ist auf 100 Exemplare limitiert und soweit ich das mitbekommen habe fast vergriffen. Wer was mit 80er-Punk anfangen kann, braucht hier nicht lang zu überlegen. Das hier ist Pflichtstoff. Danke für diese Platte, Mad Butcher Records.



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