29.12.20

Interview: Pigs Off Campus


Gerade erst bin ich auf die Band Pigs Off Campus aus Rostock gestoßen, bei der mich der eingängige Name sofort angefixt hat. Also hab ich, wie man das halt so macht, die erste Anlaufstelle für DIY-Bands, sprich Bandcamp, aufgesucht und bin dort selbstverständlich auch fündig geworden. Und was soll ich sagen, auch für die Mucke war ich sofort Feuer und Flamme. Da weitere Infos zur Band aber im Netz dünn angesiedelt bzw. gar nicht vorhanden sind, hatte ich direkt Bock den Leuten mal ein paar Fragen in Form eines Interviews zu stellen. Wofür, wenn nicht dafür, ist dieser Blog damals ins Leben gerufen worden? Eben. Um korrekte Bands, vorwiegend aus MV, zu supporten und der gigantisch großen Leser*innenschaft auf den Schirm zu holen. Also machen wir das doch direkt. Band angeschrieben. Antwort erhalten. Band hat Bock und ich huldige der unverschämten Fragerei. Los gehts mit dem ersten Band-Interview seit bestimmt 7 Jahren.

Hey Leute, schön dass es geklappt hat. Das freut mich wirklich sehr. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen kommende Interviews nicht mehr ständig mit "Stellt euch doch mal vor!" zu beginnen, aber ich glaube in eurem Fall könnte das vielleicht doch ganz angebracht sein. Jedenfalls bin ich erst vor ein paar Tagen auf eure Musik gestoßen, obwohl eure erste Veröffentlichung IdNr. ja bereits im Juli letzten Jahres erschien. Also stellt euch doch mal vor!


Hallo, danke für dein Interesse! Von Klarnamen würden wir gern absehen, aber wir sind zu dritt, haben Pigs Off Campus so 2017 gegründet und kommen ursprünglich alle aus MV.


Liege ich richtig in der Annahme dass alle Bandmitglieder*innen immatrikuliert sind und sich voller Leidenschaft dem studentischen Leben an der Universiät Rostock hingeben oder ist genau das Gegenteil der Fall?


Erstmal wohnt nur noch eine Person in Rostock, und was das Akademiker*innen Dasein angeht, hat eigentlich nur einer von uns überhaupt mal eine Uni von innen gesehen. Generell geben wir auch in unseren Bekanntenkreisen relativ wenig auf den Bildungsstand und finden das sollte überall so sein. Aktuell sind wir mehr oder weniger zum Glück alle weitestgehend arbeitsfrei.


Nebenbei sei erwähnt, dass mich eben euer Bandname direkt verleitet hat mal eure Musik auszuchecken. Wie kams zum Namen und wer hat die Props für den Einfall verdient?

Unser Gitarrist hat auf der Suche nach künstlerischen Inspiration den Pulitzer Preis recherchiert und ist darüber auf ein Foto und die Story zum Kent State Massaker gestoßen. Dort sind beim Protest einer Anti-Kriegs-Studierendenbewegung 4 Menschen von der amerikanischen Nationalgarde erschossen worden."Pigs off Campus!" war eine der dort skandierten Parolen, weil auf dem Universitätsgelände Soldaten eingezogen werden sollten. Pigs steht in dem Fall für die Soldaten. Oink Oink, Bundeswehr!


Rostock ist auch über die Grenzen MV's hinaus bekannt. Sei es weil die Hansestadt die größte im Bundesland ist oder durch die widerlichen Pogrome in Lichtenhagen im Jahr 1992. Aber beispielsweise auch wegen des Fußballs, sprich FC Hansa Rostock, ein Verein der von außen desöfteren und wohl nicht ganz unbegründet mit einer rechten Fankultur in Verbindung gebracht wird. Tatsächlich gibt es in Rostock ja aber auch noch den weniger bekannten, dafür umso politischeren Verein IFC Rostock, der sich beispielsweise für die Belange von Geflüchteten einsetzt und gegen Rechtsextremismus klar und deutlich Stellung bezieht. Interessiert ihr euch für Fußball oder geht euch das am Arsch vorbei? Und wie steht ihr zu den genannten Vereinen?

Die Vorwürfe sind sicherlich nicht unbegründet. Eher sind die rechten Umtriebe innerhalb der Fanszene ja offensichtlich auf Videos festgehalten. Gleichzeitig gibt es natürlich innerhalb der Fanszene auch einen "linken Flügel" und viele Leute, die sich auch gegen erstgenannte einsetzen.

Mit dem IFC sind wir solidarisch, vor allem weil der Verein neben Fußball z.B. auch eine FLINTA-Selbstverteidigungsgruppe gegründet hat. Safespaces für marginalisierte Personen sind gerade in Städten wie Rostock sehr sehr wichtig.

Kommerzieller Fußball ist für uns alle vollkommen uninteressant und folgt eigentlich nur kapitalistischen Verwertungsstrategien.


Um noch ein bisschen bei eurer Hometown zu bleiben. Rostock bietet im Vergleich zum Rest des Bundeslandes (Greifswald mal ausgenommen) eine Vielzahl subkultureller Angebote und politischer Initiativen. Gibt es Projekte in denen ihr aktiv seid?

Da zwei von uns mittlerweile in Berlin wohnen, haben wir entsprechende Aktivitäten zwar runtergefahren, aber wir können natürlich das JAZ Rostock empfehlen. Die machen auch gerade ein coronabedingtes Crowdfunding. Die in Rostock verbliebene Person engagiert sich im Awiro e.V. Rostock. Langversion: Alternatives Wohnen in Rostock. Außerdem ein wichtiger Ort für Subkultur ist das Peter Weiss Haus in der KTV.


Wie regelt ihr das denn innerhalb der Band eigentlich mit den Proben? Das ist ja dann immer mit relativ langen Anfahrtswegen für mindestens eine Person verbunden, wenn ihr in unterschiedlichen Städten wohnt. Stell ich mir schwierig vor, vor allem auch finanziell, wenn man dann noch Kohle für nen Proberaum lässt. Oder habt ihr die Möglichkeit für Umme zu proben?

Gerade ist es mit Proben schwierig, weil wir auf der Suche nach einem Raum im der Berlin sind. Also wer was sieht, hört oder ähnliches, kann sich bei uns melden :D. Aber wir haben auch Freund:innen bei denen wir mal in den Proberaum könnten. Und wenn wir dann proben, schließen wir uns quasi ein und proben unserere Songs sehr intensiv. Die Anfahrt an sich ist gar nicht das Problem. Wenn es coronabedingt wieder geht, dann wird sich in den Bus gesetzt und auf geht's.



Welche subkulturellen Räume würdet ihr empfehlen wenn man sich mal nach Rostock verirrt? Wo hängt ihr am liebsten ab und wo gibt es wenn nicht gerade eine Pandemie grassiert, gute Konzerte im Bereich Punk zu sehen? Und andersrum gefragt, von welchen Läden sollte man sich vielleicht besser fernhalten?


Im LT in Rostock gibt’s eine sogenannte Blaulicht Party. Dort treffen sich Bullen und Soldaten. Den Laden kann man also gern meiden. Mal davon abgesehen, dass es kein besonders sicherer Ort für so ziemlich niemanden ist. Auch hier sind eigentlich vor allem die kommerziell ausgerichteten Clubs zu meiden, die sich überhaupt nicht politisch positionieren. Ausnahmen davon sind eigentlich nur der Mau Club, das JAZ und das PWH. Dort finden auch die meisten Punk-Konzerte statt.


Im Punk kommt es in den letzten Jahren völlig berechtigt vermehrt zu Diskussionen inwieweit Frauen* in der Szene, vor allem auf der Bühne, unterrepräsentiert sind. Wie steht ihr zu dieser Debatte und ist es euch bei Konzerten wichtig die Bühne nicht nur mit Bands zu teilen die ausschließlich aus Cis-Männern bestehen?

Entgegen populärer Aussagen ist die Repräsentationsfrage nicht gelöst, nur weil es immer mehr Bands mit weiblich sozialisierten Mitgliedern gibt. Eine positive Tendenz mag zu erkennen sein. Allerdings ist zum Beispiel wenn man auf der Suche nach Menschen für eine Band ist, besonders leicht zu erkennen, wie viel schneller sich Cis-Männer zur Besetzung dieser Positionen finden als alle anderen Personen. Wir begrüßen es natürlich immer, wenn nicht nur Männerbands im Lineup sind. Bisher hat das bei unseren Konzerten tatsächlich auch ganz gut funktioniert, ohne dass wir großartig intervenieren mussten. Falls es in dieser Hinsicht mal düster aussieht, setzen wir uns gern auch mit Veranstalter*innen in Verbindung, um über Diversität im Lineup zu sprechen.


Ihr spielt sehr hardcorelastigen, oft treibenden Post-Punk oder auch Post-Hardcore, ein Musikstil bei dem es auch vor der Bühne desöfteren hart zur Sache geht. Freut ihr euch wenn das bei euch der Fall ist oder seht ihr auch Probleme darin, dass vor allem männliche Konzertbesucher des Öfteren ziemlich brutal am "Tanzen" sind und ggf. anderen Personen den Raum nehmen das Konzert in erster Reihe ebenso zu genießen? Man könnte ja sagen das ist ein schmaler Grat, denn im Punk geht es ja zweifelsohne auch darum Energie rauszulassen, sich frei zu machen, auszurasten.

Natürlich ist toxische Maskulinität auch auf Konzerten wie überall ein großes Problem. Und natürlich hat rücksichtsloses Verhalten wie du es beschreibst auf Konzerten, die wir spielen aber auch allgemein auf Konzerten keinen Platz.

In erster Linie kann jede Person bei Konzerten gern tun, was sie will solange dabei keine anderen Konzertbesucher*innen eingeschränkt werden. Wir freuen uns natürlich, zu sehen, dass Leute Spaß am Konzert haben und sich entsprechend bewegen, aber so, dass auch alle gemeinsam Spaß haben können. Bei Shows, die wir selbst spielen regelt sich das wegen der Größe oft von allein. Sofern nicht zuviel Macho-Energie im Raum ist und jemand einschreiten muss, ist meist alles übersichtlich genug, dass man vieles miteinander klären kann. Bei großen Konzerten sind wir für Awareness-Teams, damit Personen, die sich unwohl fühlen Ansprechpartner*innen vor Ort haben.

Und egal bei welchen Konzerten ihr seid: die Shirts anbehalten bitte.


Habt ihr vor dem Release von IdNr. bereits Konzerte gespielt oder wolltet ihr mit der ersten Veröffentlichung erstmal ein wenig Aufmerksamkeit auf euch lenken? Und überhaupt, wie war so die Resonanz auf die acht Tracks?


Wir haben eigentlich nur ein einziges Konzert vor dem Release gespielt. So wie unser Songwriting- Prozess funktioniert, haben wir die Tracks auch erst spielen gelernt, als das Album wirklich fertig war. Die Resonanz war durchweg positiv. Gemessen daran, dass es keinerlei Promo gab, haben wir uns sogar gefreut, dass so viele Leute aus so unterschiedlichen Ecken sich das Album angehört haben.


Ich finde es immer sehr sympathisch wenn Bands ihre Musik zum freien Download zur Verfügung stellen und auch Leute ohne viel Kohle Zugang zu (neuer) Musik haben. Wie kam es zu der Entscheidung euren Kram for free zum Download anzubieten?

Wir sind arm und solidarisch mit armen Menschen. Außerdem ist es im Zeitalter von Spotify und anderen Streamingdiensten ohnehin seltsam, Musik ausschließlich für einen Verkaufspreis zu veröffentlichen.

IdNr. EP: https://pigsoffcampus.bandcamp.com

Ich persönlich find ja Releases auf Vinyl ziemlich geil, obwohl das für junge Bands und speziell ohne ein Label im Rücken immer schwer umzusetzen ist. Mit Tapes gibt es da aber eine kostengünstige Alternative, die in letzter Zeit auch ein kleines Revival erfährt. Gibt oder gab es IdNr. Auch als physikalischen Tonträger zu erwerben oder ist das geplant? Ich würds kaufen.


Wir haben tatsächlich immer Tapes dabei wenn wir Konzerte spielen. Die sind eigenhändig unter stundenlanger Aufsicht im Rostocker Wohnzimmer mit einem ebay Kleinanzeigen Tapedeck entstanden. Das von Papa ist vorher leider kaputt gegangen. Vinyl ist leider wie du schon erwähntest für uns in der Mache zu teuer. Bleibt aber ein Wunsch, den wir uns gern erfüllen würden.


Eure Texte sind durchweg politisch und vor allem regnet es Schellen gegen Nazis, Deutschland und Lohnarbeitsverhältnisse. Wie würdet ihr den Prozess des Songwritings bei euch beschreiben und ist es für euch selbstverständlich dort stet's politisch Stellung zu beziehen?

Der Prozess des Songwritings findet größtenteils an der Gitarre zuhause statt. Wir schreiben simple Demos, die dann später ausge’arbeitet’ werden. Die Texte sind oft der letzte Schritt im Songwriting, der am längsten dauert. Wir versuchen hier möglichst simpel und verständlich zu bleiben. Bei vielen deutschen Punkbands sind die Texte sehr metaphorisch. Wir haben das Gefühl, dass das zu uns nicht so gut passt und die Aussagen dann oft sehr verwaschen werden und an Wirkung verlieren. Wenn du dir ältere Deutschpunk-Songs aus den 80ern/90ern anhörst, ist die Message oft viel klarer. Unter anderem ist das auch der Grund, warum linker Hip Hop so gut funktioniert. Alles ist sehr auf den Punkt und deutlich. Bei unseren Songs ergibt das durch die Stimmung und Struktur einen guten Kontrast auch wenn das nie so beabsichtigt war. Wir haben die Band gegründet mit der Maßgabe, dass Texte und Aussagen politisch sein und bleiben sollen. Daran halten wir auch weiterhin fest.

So. Ich glaube ich habe euch genug mit Fragen gelöchert. Das letzte Wort soll euch gehören, aber haut mir und der Leser*inenschaft doch bitte noch eure derzeitigen Lieblingsbands um die Ohren. Fettes Dankeschön für eure Zeit.

Danke nochmal fürs Nachfragen!

Nehmen wir mal unsere Lieblingsbands von diesem Jahr: Birds in Row, Molchat Doma, Faim, Gouge Away, Super Unison, Torsö, Fiddlehead, The Strokes, Pisse & The Seatbelts.

Redet nicht mit Bullen, lasst euch nicht von eurem Boss abziehen, macht lieber mal nen Monat krank, organisiert euch vor Ort gegen Faschos und den Staat wenn ihr könnt und spendet an stabile NGOs wenn ihr Kohle habt. 2020 war und ist ziemlich scheiße, aber die Umstände gibt es nicht erst seit diesem Jahr sondern sie sind das Ergebnis von globalem Kapitalismus und faschistischen Ideologien, die überall auf der Welt wachsen. Deutschland ist da keine Ausnahme auch wenn wir die privilegierte weiße Mittelschicht davon nichts am eigenen Leib spürt. Vereinzelt können wir dagegen nichts ausrichten. Deshalb lasst uns nicht vereinzeln, sondern zusammenkommen. Bleibt gesund!





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