31.1.23

Interview: SSH+K (2021)

Als mir die Band mit dem vielversprechenden Namen Schöner Sterben mit Heroin & Korn das erste Mal empfohlen wurde, hatte ich mich eigentlich auf feuchtfröhlichen Asseldeutschpunk eingestellt, wurde aber eines Besseren belehrt. Die Tracks auf ihrem aktuellen Longplayer Feng Shui sind fast ausschließlich politischer Natur, schildern persönliche Erfahrungen / Beobachtungen und schießen nicht nur gegen Bullen und Faschos, sondern in viele Richtungen. Die neue LP dreht hier desöfteren ihre Runde und gerne auch mal zwei, was zur Folge hat, dass ich ständig mit diversen Ohrwürmern durch die Bude laufe. Da ich mit Ladegerät sowieso schon eine Weile in Kontakt stehe, weil wir mit unserer Scheißkapelle einen Beitrag zum aktuellen Rübenmus Fanzine beisteuern durften, kam dann alles wie es kommen musste und ich habe ihn gefragt ob sie Bock hätten, mir für ein kleines Interview Rede und Antwort zu stehen. Wie alle Interviews in dieser Ausgabe wurde auch dieses per Mail geführt. Folgendes kam dabei raus:


Moin Leute, freut mich, dass ihr Zeit gefunden habt mir ein paar wichtige und nichtige Fragen zu beantworten. Zum Einstieg ein naheliegendes Thema -  Sterben. Wie stirbt es sich denn am schönsten? Es gibt unzählige mehr oder weniger komplizierte Wege um irgendwo, irgendwie, in irgendeinem Zustand, spontan oder gar geplant ins Gras zu beißen. Mal angenommen ihr könntet wählen, wie würdet ihr den Löffel abgeben?

BigL: Tjrorp. Hab den Löffel ja noch nie abgegeben. Daher keine Ahnung was die schönste Art zu sterben wäre. Aber spontan denk ich, dass ich wohl am liebsten mit nem leckeren Bier inner Hand abtreten würde. Gerne am Meer und nich ganz nüchtern! Peace.

FatT: Auf Gras ins Gras beissen? Ne, besoffen und bekifft beim Orgasmus!

MCBB: Keine Ahnung, hab ich noch nie drüber nachgedacht. Den Zeitpunkt, mit 27 als großer Rockstar zu sterben haben wir alle ja schon verpasst.


Aufgrund eures Bandnamens bietet es sich nicht nur an über den perfekten Abgang zu schwadronieren, sondern auch übers Saufen zu reden. Man könnte SSH+K theoretisch als eine Art Empfehlung eurerseits verstehen aber euer Track Korn & Heroin lässt das erstmal nicht vermuten. Im Song werden zwei Suchtszenarien skizziert, welche dann tödlich enden. Außerdem zieht ihr mit den Zeilen „Der Staat ist schuld würgt er noch raus, doch Widerstand sieht anders aus.“ oder „Statt Anarchie und Häuserkampf - Bluthusten und Magenkrampf“ offenbar eine Verbindung zur eigenen Szene. Welche Beweggründe hattet ihr das Thema Sucht zu behandeln und im Rahmen dessen auch Bezug auf (fehlenden) politischen Aktionismus zu nehmen?

BigL: In etwas jüngeren Jahren hab ich viele Freunde wegen dem fucking Heroin (und anderem Shice) verloren. Schon scheiße zu sehen, wie die an dem Dreck zugrunde geh`n. Und selbst kannste da nix machen. Und, klar, einige machen sich natürlich auch mit Alk so kaputt, dass du mit denen ab 13.00 Uhr auch nich mehr schnacken kannst. Und das waren zum Teil echt politisch motivierte Menschen, die was bewegen wollten. Zum Schluss aber nur noch die Energie zur Suchtbefriedigung aufbringen konnten und zerbrechen. Klar, wir sind auch keine Kostverächter, wahrlich nich, aber wenn du permanent übers Ziel hinausschießt, findest meist nich mehr zurück. Oder so.

FatT: Wer sich über viele Jahre in der Punkszene bewegt, hatte auch viel mit Menschen zu tun, die mit Alkohol & Drogen nicht umgehen können oder es übertreiben, bis hin zum Totalabsturz oder gar Tod. Das ist schade und auch ärgerlich, da unsere Szene eh zu klein ist, und die Menschen, die wegen ihrer Sucht zu Arschlöchern mutiert sind, irgendwann wahrscheinlich auch einmal nett waren. Durch Drogen geht halt viel Potential verloren.

MCBB: Sehe ich ähnlich wie die anderen beiden.

BigL: In Heiligenhafen hatten wa seinerzeit ne stabile und sehr aktive Punk- und Polit-Szene, welche sich nach und nach spaltete, da etliche einst aktive Loide sich lieber n Schuss gesetzt ham als was auffe Beine zu stellen. War schon derb anzusehen, wie Freund*innen sich entfremdeten, kaputt gingen und starben. Von denen lebt leider keine(r) mehr.


Wie schon in meinem Review zu eurer Platte erwähnt, mag ich den Track und finde die Herangehensweise sehr gelungen. Wir haben es hier weder mit einem stumpfen Sauflied a'la Totsaufen (M.A.F.), Biertod (Knarre) oder Die Bombe (Vorkriegsjugend) zu tun, noch mit einer herablassenden Verurteilung von suchtkranken Personen. Find ich gut, was aber auch nicht heißen soll, dass ich stumpfe Saufsongs nicht zu schätzen weiß. Könnt ihr ja auch ganz gut, wie ihr mit SSSA bewiesen habt. Wie steht ihr selbst zu exzessivem Alkoholkonsum? Sind Alkohol oder andere Drogen für euch ein wichtiger Bestandteil von Punk und gehört Saufen für euch bei Konzerten, Treffen oder auch der Bandprobe im gewissen Maße dazu?

BigL: Klar. Auf jeden Fall.

MCBB: Jo!

FatT: Bier ist ein wichtiger Bestandteil meines Lebens, aber heute maßvoller als vor 20 Jahren. Bei Konzerten gehört Alkohol leider zum Punkrock dazu, denn je schlechter die Band, desto mehr muss ich trinken.

Okay, lasst uns dieses Thema abschließen, in dem ihr mir eure allerliebsten Saufsongs und euer liebstes alkoholisches Getränk verratet.

MCBB: Korn schonmal nicht. Jever.

BigL: Herbes Pils oder das Bernstein Weizen von Störtebecker.

FatT: Aus Coolness-Gründen müsste die Antwort "Frühstückskorn" heissen, aber ehrlicherweise sind es Jever & Whiskey.



Ihr kommt aus dem beschaulichen Lübeck, korrekt? Ich war tatsächlich nur einmal kurz auf Durchreise in der Stadt und habe lediglich einen der örtlichen Plattenläden besucht. Ist schon krass, dass es in Lübeck so viele Plattenläden wie in ganz Mecklenburg-Vorpommern gibt. Habt ihr einen Lieblingsplattendealer im Ort? Wo gibt es den meisten geilen Punkscheiß auf Vinyl? Hört ihr selbst überhaupt Schallplatten oder konsumiert ihr Mucke über ein anderes Medium? CD? Tape? Spotify?

BigL: In HL ist "Wo-Anders" unangefochten die No. 01! Meinereiner hört Vinyl oder Tape. Klar, im Audo auch ma mp3. Bandcamp zum reinhör´n is auch sehr feist. Aber Spotify und so´n Shit nutz ich nich!

FatT: Gibt's in Lübeck überhaupt 'nen anderen Plattenladen als "Wo-Anders" in der Beckergrube??? Ansonsten – Vinyl ist mein Fetisch.


Lasst uns noch einen Moment bei Lübeck bleiben. Wie steht es um das (sub)kulturelle Leben in der Stadt? Gibt es coole Projekte und Locations, die ihr empfehlen könnt oder in denen ihr vielleicht aktiv seid? Dass man sich vom Discopuff A1 fernhalten sollte weiß ich jetzt ja schon, aber was sollte man sich in der Stadt unbedingt mal angucken und wo kann man am besten ohne Prolls und Faschos abhängen?

FatT: Der beste Ort in Lübeck ist die "Walli", das Alternative Zentrum Lübecks, und dort das "VeB" – die Punkkneipe, in der wir mitmachen/mitmachten. Neben dem Kneipenbetrieb gibt's auch Konzerte, Partys und Nighter. Ansonsten ist auf der Walli das "Treibsand" zu empfehlen, der beste Ort in Lübeck für die etwas größeren Konzerte. Andere nette Kneipen in Lübeck sind das "Finnegans", das "If", das "Kandinsky", das "Funambules" und das "Tibia Tick". Ein weiterer neuer Laden ist die "Baustelle", der sich je nach Veranstaltung auch für Punks lohnt.

BigL: Aller. In Lübeck geht zur Zeit so viel wie noch nie.

FatT: Hüstel.

BigL: Als Rübenmus-Stammleser solltest Du das Schicksaal inner Clemensstraße ja bereits kennen. Generell geht in der Clemensstraße mit den Läden Unrat (Kneipe), Schicksaal (Hostel, wo auch gerne ma n Konzert stattfindet), Blauer Engel (coole Kneipe, ebenfalls ab & an mit Konzerten), No. 12 (Kneipe), Wohnprojekt Marlene (siehe Rübenmus No.05) und co. So einiges. Dann gibt´s noch den Tonfink (coole Kneipe wo halbakustik Konzerte stattfinden). Zur Walli hat sich FatT bereits ausgelassen, aber direkt neben der Walli gibt´s seit einiger Zeit noch das Soli-Zentrum mit dem Cycletta-Club, Kost-nix Laden, etc.

FatT: Wobei ich anmerken muss, dass das Publikum in der Clemensstraße sehr studentisch ist, im negativen Sinne...

MCBB: Tonfink? Da bist Du BigL aber der einzige, der da hingeht. Belanglose, rumheulende Liedermacher und eine Mischung aus Hipstern & kulturinteressiertem Bildungsbürgertum. Da war ich genau einmal und fand es schrecklich. Dann doch lieber mit den Kindern in der Clemensstraße trinken – da wird einem ab 0:00 wenigstens hin und wieder eine anständige Schlägerei mit Vollhonks geboten.




Okay. Im Song Eure Stadt wird ein offensichtlich grauenhafter Ort beschrieben. Dort heißt es: "In euer Stadt bestünd´mein Leben aus goldnen Schüssen, übergeben - Ein Tag hier, ich wäre verloren - Suicide-Suff mit Doppelkorn". Der Refrain überschneidet sich damit thematisch mit Korn & Heroin, mit dem Unterschied, dass diesmal das lyrische Ich den Freitod durch besagte Substanzen wählen würde, müsste er sich in diese Stadt begeben. Auf welche Stadt bezieht sich der Song und woher stammen die besungenen Eindrücke? Kurz habe ich überlegt ob mit "Eure Stadt" vielleicht auch eine besonders verachtenswerte Facette Lübecks gemeint ist. Haut mal n paar Hintergrundinfos raus hier.

BigL: Der Song ist eigentlich gegen die Lokalpatrioten im Allgemeinen und ganz speziell die ausser Szene. Gerade wenn das von irgendwelchen Bands besungen wird. Denk dann immer so. Ey, macht ma die Augen auf. Schaut euch um. In eurer Kackstadt läuft die gleiche Kacke wie auch anderswo. Nichts is hier wirklich richtig geil. Und feiert euch nich so ab, nur weil ihr evtl. irgendwo lebt, wo es evtl. nicht ganz so scheiße ist.

FatT: Ich beziehe diesen Song auf jede Stadt außer Lübeck!!! Jede Stadt ist zum größten Teil Scheisse, wenn man nicht diese kleinen Ecken kennt, die das Leben erst lebenswert machen: das AZ, die nette Kneipe, der kleine Konzertladen o.ä. Das bezieht sich natürlich auch auf Lübeck, aber da kennen wir diese kleinen Ecken am besten...


Zugegeben war ich sehr überrascht über euer aktuelles Release Feng Shui. Farbiges Booklet, farbiges Vinyl, Inside-Out-Cover, Poster. Respekt. Das ist alles andere als billig in der Herstellung und dennoch hattet ihr keine Unterstützung eines Labels, richtig? Warum habt ihr darauf verzichtet und das Ding alleine gestemmt? Wie fallen bisher die Reaktionen aufs Album aus?

FatT: Für uns bedeutet Punk gleichzeitig D.I.Y. Klar, wir haben keine Druckmaschine oder Presswerk, aber wir versuchen, alles andere selbst zu machen. Auch wenn das "doofe" Arbeiten wie Plattenverschicken beinhaltet, gibt uns das alles doch ein gutes Gefühl. Und niemand kann uns reinreden (außer unser Schatzmeister BigL).

BigL: Es kam halt kein Label auf uns zu. Ganz einfach. Die Reaktionen waren bisher durchaus positiv. Klar, der ein oder andere Wirbel hätt besser sein können (kann er aber nicht) und evtl soll´n wa etwas schneller spielen (könn wa aber nicht). Aber sonst alles cool. Gerade auch der Sound wird oft gelobt. Dafür unseren fettesten Dank an Marek aus Flensburch. Jo. Und da wir Vinyl lieben und uns auch über liebevoll gestaltete Platten freu´n, war klar, dass wir da auch viel Liebe und Energie (und ähm Geld) reinfliessen lassen. Ist halt ne Herzensangelegenheit.


Übrigens war mir die "Harmonielehre" namens Feng Shui überhaupt kein Begriff und ich musste erstmal Google anschmeißen, um Licht ins Dunkel zu bringen. Warum schreibt ihr einen Song darüber und benennt dann auch noch das Album danach? Balkon oder Kühlschrank wären ja auch recht schnittige Namen gewesen, meint ihr nicht? Außerdem: Was hat es mit dem Cover auf sich? Gibts da ne Verbindung zum Albumtitel? Ist das etwa eure Vorstellung von einer harmonischen Umgebung im Sinne von Feng Shui?

BigL: Feng Shui ist bei mir extrem negativ behaftet. Klar. Der ganze Eso-Shit ist eh der letzte Scheiß. Aber zu Feng Shui hab ich noch ein persönliches Negativerlebnis. Ich hab ma in nem Architekturbüro gearbeitet und der Chef war so´n Vollblutcholeriker. Schrei- und Sachenschmeißanfälle war´n anner Tagesordnung. Und er so: "Leute, die Stimmung im Team ist miserabel. Das habe ich erkannt!" Und was macht er? Statt (Selbst-)Reflektion kommt der Arsch mit  Feng Shui. Der hat Tausende von Euro für die Umgestaltung des Architekturbüros und dem Vorgarten ausgegeben, uns aber immer noch auf Mindestlohnniveau bezahlt. Geil! Gebracht hat das natürlich null. Ganz im Gegenteil. Ich dachte nur, jetzt dreht der vollkommen durch, und war dann auch bald weg!

FatT: Für mich ist der Song "Feng Shui" eine Kampfansage an die Esoteriker! Um das zu verstehen, sollte man zwischen dem traditionellen, jahrhundertealten Feng Shui der chines. Philosophie und dem modernen Feng Shui der Esoteriker unterscheiden. Diese benutzen Teile dieser alten Philosophie, um ihren wissenschaftsfeindlichen Ideen ein freundliches, hippes Mäntelchen umzuhängen – damit lassen sich ihre Ideen besser vermarkten. Für die meisten Punks sind Anhänger von Feng Shui und andere Esoteriker einfach nur Scheiss Hippies, und "Feng Shui" als Plattencover und Albumtitel seh ich als kleine Provokation oder Witz - denn am besten verkaufen sich Punkscheiben mit Iros und Nieten auf dem Cover...

MCBB: Das Cover ist doch auch sehr harmonisch. Unsere Interpretation von Feng Shui.


Eigentlich wollte ich das omnipräsente Thema Corona in diesem Interview mal auslassen aber irgendwie ist es ja doch immer ganz interessant wie einzelne Bands die Zeit der Pandemie überbrücken. Trotz steigender Inzidenzen ist gerade wieder einiges möglich, was Konzerte betrifft. Das war vor ner Weile noch anders und viele Leute mussten auf Streaming-Konzis oder Konzerte mit sitzendem Publikum umsteigen. Wie war's bei euch? Habt ihr sowas irgendwann mal ausprobiert als Band oder Besucher*in? Wie aktiv wart ihr als Band seit März 2020 und viel wichtiger, was steht dieses Jahr noch aufm Plan?

FatT: Als Band haben wir das letzte Konzert in Lübeck vor dem Lockdown gespielt (Treibsand, 28.2.2020 mit den Vibrators), und seitdem (Stand 09/2021) keines mehr. Leider. Aber dafür haben wir relativ regelmäßig geprobt. Immerhin. Und Streaming finde ich langweilig.

MCBB: Streaming-Konzerte sind scheiße, ich guck mir auch keine Konzerte auf DVD oder so an. Als Unterstüzung für Läden oder so sinnvoll, aber nicht mein Bier. Sitzkonzerte finde ich eigentlich auch doof, aber hab ein paar gesehen – immerhin besser als nix.

FatT: Als Besucher haben wir ein paar bestuhlte Konzerte gesehen, aber es ist irgendwie unbefriedigend, im Sitzen zuzusehen, wie sich die Band auf der Bühne einen abzappelt.

BigL: Hmm. 2020 ham wa ja die Pladde rausgehau´n. Ab und zu geprobt ham wa auch. Konzerte hab ich glaub ich nur ein gesehen und das war´n the real Schaisze aus NMS auf nem ollen Musikfest in NMS. Wegen kein Bock auf Streaming- und Sitzkonzerte hab ich zumindest nix mehr gesehen. Dieses Jahr heisst es abwarten. Wenn sich wer meldet, sind wa auch meist interessiert.

MCBB: Genau. Über Anfragen freuen wir uns, also MAILT! UNS! AN! Wir spielen auch auf Hochzeiten und Beerdigungen, solange es lecker Essen & Freibier gibt.


In gleich mehreren Songs eures Albums nehmt ihr kritischen Bezug auf die ganzen Verschwörungsideolog*innen, welche seit einiger Zeit überall aus ihren Löchern kriechen, weil sie sich wahlweise in einer Diktatur wähnen, glauben dass Bill Gates sie mit Computerchips zwangsimpfen möchte oder Kinder von einer herbei fabulierten Elite in unterirdischen Anlagen gefoltert und missbraucht werden. Harter Tobak. Nun gibt es diese Verschwörungsheinis, Esohippies und Impfskeptiker*innen nicht erst seit Corona. Deshalb tut sich folgende Frage auf: Haben euch die Ereignisse seit März 2020 beim Songwriting inspiriert? Sind besagte Songs innerhalb der Pandemie oder schon vorher entstanden? Habt ihr in eurem Umfeld auch Erfahrungen, beispielsweise mit einer gewissen Impfskepsis aufgrund von Desinformationen gemacht und falls ja, wie seid ihr damit umgegangen?

BigL: Nee. Den Text gab´s tatsächlich schon viel länger. Ein, zwei Zeilen ham wa dann aber nochmal bei der Aufnahme an die aktuelle Situation angepasst. Da ich ungern mit Leuten diskutiere, mit denen es eh keinen Sinn  macht, hab ich da lieber, nach kurzen Diskussionsversuchen, den Umgang eingestellt. Waren zum Glück aber nur ganz wenige Leute. Und auch nur aus dem entfernteren Bekanntenkreis.

FaT: Die Songs sind älter als die Corona-Pandemie, aber Verschwörungsheinis gab's ja schon auf den Drecks-Pegida-Demos zu viele. Allerdings haben die Pandemie und die Unterstützung durch Naziparteien (ohne Flüchlinge liefen ihnen die Wähler davon) diesen Verschwörungstrotteln eine breitere Basis und mehr Aufmerksamkeit in den Medien beschert.

MCBB: Zum Glück im eigenen direkten Umfeld kaum – wenn überhaupt, dann eher Unsicherheiten aufgrund der ständig auf die Leute einprasselnden Infos durch diverse Medien.  Aber das lässt sich dann ja oft durch sachliche Diskussion und Verweisen auf vertrauenswürdige Info-Quellen auflösen. Hatte wirklich den Fall, dass eine sehr junge Bekannte glaubte, die Impfung würde magnetisch machen (hatte sie im Internet gesehen und bei ihrer Freundin wäre das auch so) – nach Verschicken eines guten Mimikana-Artikels zum Thema war sie selbst von sich erstaunt, wie sie auf sowas reinfallen konnte :-)


Wo wir gerade dabei sind. Habt ihr euch denn schon euren Chip einpflanzen lassen?

BigL: Klar. Da ich inne Einrichtung für Menschen mit Behinderung arbeite, konnte ich sogar den Service von mobilen Impfteams genießen.

MCBB: Logo. Auf das verbesserte WLAN durch den SuperChip warte ich aber immer noch. Ich glaube, mein Chip ist ein Montagsmodell.

FatT: Wir alle sind gechipt, aber BigL (unser Drummer) hat den größten Chip eingepflanzt bekommen, er dient gleichzeitig als Metronom.



Wie schon bei den besorgten Rassist*innen von Pegida, HoGeSa und wie sie alle hießen, gab es natürlich auch in Bezug auf die Leerdenker*innen wieder die Position, man müsse die Sorgen und Ängste dieser Menschen ernst nehmen. Für mich ist das vollkommen unverständlich, zumal die Demonstrationen dieser Leute mit Faschos und anderen Menschenfeinden durchsetzt waren, wenn nicht sogar von ihnen dominiert wurden. Wie erfolgreich schätzt ihr einen Dialog mit solchen Personen ein? Habt ihr Ideen wie man mit solchen Lappen verfahren sollte? Sachliche Diskussionen wagen? Auf die Fresse? Irgendwas dazwischen?

FatT: Keine Ahnung, Diskussionen bringen bei überzeugten Ideologen nichts, aber "auf die Fresse" ändert ihre Einstellung auch nicht. Allerdings: wer mit Nazis auf Demos geht, hat meiner Meinung nach nichts in unserer Szene zu suchen, insofern: rausprügeln, aber im Bewußtsein, dass das Problem mit solchen Spinnern bleibt.

BigL: Diskutieren bringt da eher weniger. Lieber auffe Fresse.

FatT: Ja ja, der Handwerker...


Okay, wir kommen langsam aber sicher zum Ende. Ein paar kleine Fragen hab ich aber noch. Die Digitalisierung der Punkszene ist im vollen Gange. Gefühlt hängen alle bei Facebook, Instagram oder gar Twitter ab, um Reichweite und Klicks zu generieren. Ich mache das nicht anders. Ob mit unserer Band, unserer Konzert-Orga-Crew oder diesem Zine hier. Für alles habe ich nen verkackten Social-Media-Account angelegt, um die Punx von heute zu erreichen. Mit mäßigem Erfolg, sei dazugesagt. Wie steht ihr dieser Thematik gegenüber? Sind Facebook und Co. ein leidiges Übel oder eher eine Bereicherung im Bezug auf Bandpromo und den ganzen Kram? Habt ihr Social Media als Band von Anfang an genutzt oder gab es auch eine Zeit, in der ihr auf anderen Wegen auf eure Existenz und euer Liedgut aufmerksam gemacht habt?

BigL: Jo. Den Facebook Account hatten wir sogar noch bevor die Band real exisitierte. Hab mir extra so´n Fake-Account angelegt. Klar, Facebook ist eigentlich scheisse, aber für Band-Orga und Promo das einfachste Mittel der Wahl. Irgendwer hat (FatT?) für uns sogar n Twitter Acc angelegt. Aber der wird von uns nich genutzt, da (zumindest ich) das ganze Getwitter null checke. Und ne Homepage, welche immer noch aktiv aber total veraltet ist, da wir wohl kein Passwort oder so ham, ham wa auch.

FatT: Wir haben Facebook und Bandcamp, beides von Anfang an. Bandcamp finde ich geil, Facebook (politisch) scheisse, aber es macht doch auch Spaß (wie ein Unfall, wo man nicht hinsehen will, es aber trotzdem tut). Doch als Werbung für unsere Mucke und unsere Konzerte sind beide wichtig. Wer guckt sich heute noch eine Homepage an???


Letzte Frage. Oder Vier. Ich persönlich habe das Gefühl mich in einer alternden Szene zu bewegen. Es ist tatsächlich schon eine Seltenheit auf Konzerten mal Leute zu treffen, die ein paar Jahre jünger sind als ich. Jedenfalls habe ich gefühlt seit Jahren keine Kidpunx mehr gesehen. Ich kann mich noch ziemlich genau erinnern wie das damals bei mir ablief und warum ich überhaupt ein Interesse an Punk entwickelt habe. Zum einen lag das natürlich an entsprechender Musik (Die Ärzte und so...), zum anderen aber auch vor allem daran, dass Punx auf den Straßen noch viel offensichtlicher präsent waren und so eine Horde Punx auf dem Markt natürlich auch einen gewissen Eindruck bei Kiddies wie mir hinterlassen hat. Zumindest hier in MV ist das alles irgendwie ziemlich eingeschlafen und ich sehe da schon in gewisser Weise einen Zusammenhang. Aber klar, mit Nietenkutte und bunten Haare schockst du deine Omma halt auch nicht mehr. Da ist irgendein Autotune-Gangsterrap vermutlich effektiver. Wie nehmt ihr diese Entwicklung in der Szene wahr? Könnt ihr meine Gedanken nachvollziehen oder habt ihr andere Eindrücke? Habt ihr Ideen wie man Punk für die Kids attraktiver machen könnte? Sollte man das überhaupt oder kann Punk vielleicht auch einfach weg?

BigL & FatT: Das müssen die Kiddies der Band beantworten...

MCBB: Klar, das ist hier in HL nicht anders. 'Unsere' Kid-Punks im VeB sind glaube ich auch größtenteils näher an der 30 als an der 20. Mit einigen wenigen Ausnahmen. Ob das wie du sagst daran liegt, dass man die Eltern nicht mehr schocken kann (weil die schlimmstenfalls in den 80ern selbst mit bunten Haaren rumgelaufen sind) oder daran, dass abgegrenzte Jugendkulturen und ein eigener Musikgeschmack generell aussterben, keine Ahnung. Dank Spotify & Co ist der Zugang zu Musik ja auch so supereinfach, da muss man nicht mehr irgendwelche Platten von Klassenkamerad*innen oder von deren älteren Geschwistern kopieren und freut sich dann total, wenn man sich selbst endlich die eine oder andere Platte kaufen kann. Ich hab den Eindruck, die meisten Kids hören einfach 'alles' und denen ist die Szene & Kultur drumherum ziemlich egal. Außer vielleicht bei Autotune-Gangsterrap, da braucht man vermutlich schon Goldkettchen usw. Aber damit kenne ich mich nicht aus, ich bin ja auch alt.


So, ich habe fertig. Ihr dürft an dieser Stelle noch irgendwelche Leute grüßen, schlaue Sachen vom Stapel lassen oder Musikempfehlungen aussprechen. Mir egal. Danke für eure Zeit und hoffentlich bis bald.

BigL: Erstma danke dass wir in deinem (wahrscheinlich) großartigen Kackheft vertreten sein werden. Hmm, aktuelle Musikempfehlungen? Keine Ahnung. Hab gehört, dass es Stackhumans wieder geben soll. Da solltet ihr ma unbedingt reinhör´n!

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